Wanderung nach Jisu oder: Gongshan ist klein

Di, 17.12. – Letzten Sonntag waren Franzi und ich wandern, dafür suchten wir am Samstagabend nach der Christmas-Corner (mit Krippenspiel! aber leider mit nicht sehr vielen Zuhörern) auf GoogleMaps ein Dorf heraus, das an der Straße in Richtung Dulongtal liegt: Jisu. Am nächsten Morgen ging es dann früh los: Gegen acht trafen wir uns bei der Terrorbauzi-Frau, kauften Frühstück und Baba (tibetisches Fladenbrot) für unterwegs und liefen los. In der Stadt deckten wir uns noch mit Wasser und etwas mehr Proviant ein, dann bogen wir auf die Straße ein, die ins Dulongtal führt.

Dieser folgten wir ca. eine Stunde lang, wobei wir immer wieder stehenblieben und uns staunend umsahen. Die Straße folgt nämlich dem Dabaluo River (大坝洛河) einem kleinen Zufluss zum Nujiang, der sich ebenfalls eine tiefe Schlucht gegraben hat. Zusammen mit der langsam höher steigenden Sonne und den Rauchfahnen, die von Dörfern und der Müllkippe hochstiegen, ergab das ein faszinierendes Bild.

Blick zurück Richtung Gongshan

Blick zurück Richtung Gongshan – so sieht’s vor unserer Haustür aus!

Schließlich erreichten wir einen nahezu 180° Straßenknick, das Zeichen für uns zum Aufstieg. Hier standen ein paar Baracken neben der Straße, vor denen einige Motorräder geparkt waren, außerdem liefen einige nicht sehr verkehrsbewusste Gänse herum.

Hier unten begann auch das Dorf Jisu, das wir jetzt hinaufkletterten.. eine Stunde lang! Vorbei an immer mehr Häusern, alle in relativ gutem Zustand, an einigen Pfeseln (Pferde-Eseln^^), die uns plötzlich auf der schmalen Treppe entgegenkamen (ich fühlte mich etwas an König der Löwen erinnert…). Irgendwann standen wir oben, verschnauften und überlegten, was wir als nächstes machen wollten, als ein alter Mann mit einem kleinen Mädchen auf dem Rücken an uns vorbei lief. Der fragte uns, was wir machten und ob wir nicht zur Kirche kommen wollten. Also folgten wir ihm über einen gewundenen Pfad bis zu einem schneeweißen, aber recht schlichten Gebäude, vor dem bereits einige Leute warteten. Bald gings dann auch hinein und der Gottesdienst, auf Lisu, begann. Die Gesänge waren gewohnt schön und in der Sonne, die durchs Fenster schien, ließ es sich gut aushalten, bis dann alle aufstanden, ihre Sachen aber daließen und meinten, es gäbe eine Pause. „Pause? In der Kirche?“, dachten wir, gingen aber mit hinaus und setzten uns auf die Stufen vor der Kirche. Und warteten. Irgendwann kam ein Gemeindemitglied und brachte jedem ein Stück Papier, auf das man etwas draufschreiben konnte… bald darauf fanden wir heraus, dass es sich anscheinend um eine Wahl handelte. Das war jedoch nur die Vorabstimmung oder Nominierung, als nächstes wurden die Namen der fünf dadurch bestimmten Kandidaten mit Kreide auf den Boden geschrieben, davor jeweils ein Pappbecher gestellt und nun bekam jeder zwei Maiskörner, die er in die Pappbecher werfen konnte. Demokratie auf Lisu! Als die meisten schon ihre Stimme abgegeben hatten, kam jedoch immer noch keine Bewegung in die gemütlich plaudernden und lachenden Gemeindemitglieder, also beschlossen Franzi und ich, weiterzugehen und unser Baba zu essen (es war mittlerweile zwei Uhr nachmittags und wir hatten ziemlich Hunger!).

Die Lisukirche in Jisu

Die Lisukirche in Jisu

Etwas weiter weg, an einem Hang, stand ein Mann und erntete Salat, er drehte sich zu uns um, begrüßte uns und kam mir irgendwie bekannt vor. Beim Weitergehen fiel es mir ein: Er ähnelte erstaunlich einem Kunstlehrer unserer Schule. Unter einer Pinie setzten wir uns dann hin und aßen unseren Proviant. Nach einer Weile kam jemand den Pfad entlang, es war der Mann von vorhin und – tatsächlich! – es war der Kunstlehrer! Er erzählte uns, dass seine Mutter in einem Haus weiter vorne lebte und lud uns ein, dort vorbeizukommen. Als wir uns also fertig ausgeruht hatten, liefen wir weiter, nur um festzustellen, dass vorne mehrere Häuser waren, zu denen verschiedene Pfade führten. Welches er wohl meinte? Wir probierten zunächst eines aus, wurden aber von gefährlich knurrenden Hunden vertrieben, als ich plötzlich die Stimme des Lehrers weiter unten hörte. Also liefen wir dorthin und tatsächlich kam er hervor, verscheuchte die Hunde und führte uns in den Hof: Das war tatsächlich ein kleiner Hof mit vielen Enten, Hühner, zwei Schlafhütten, noch ein paar mehr Gebäuden und einer Kochhütte, in die er uns brachte. Hier brannte ein lustiges Lagerfeuerchen, dass die Deckenbalken bereits kohlrabenschwarz gefärbt hatte, es gab aber auch Strom, eine Induktionsherdplatte, etc. Unser Gastgeber brachte uns Tee und während wir ihm eifrig Fragen zu dem Dorf stellten, bereitete er für uns Shan Yao, ein kartoffelähnliches Wurzelgemüse, aus eigenem Anbau vor.

Die Küche im Elternhaus des Kunstlehrers

Die Küche im Elternhaus des Kunstlehrers

Bald darauf kam auch seine Mutter zurück, die in der Kirche gewesen war: Durch sie erfuhren wir, dass dort die Wahl des Kirchenvorstands stattgefunden hatte. Der Kunstlehrer erzählte, dass er jedes Wochenende hier hochkam, um seiner alten Mutter zu helfen, seine Wohnung befindet sich nämlich neben dem Bildungsministerium. Neben dem leckeren gekochten Shan Yao gab er uns noch in einem Wok überm Feuer frittierte Klebreisfladen, die lecker waren aber sehr satt machten. Da wir jedoch noch den gesamten Abstieg und Rückweg vor uns hatten, blieben wir nicht besonders lange. Als Gastgeschenk ließen wir eine Tafel Schokolade da, dann liefen wir wieder hinunter und anschließend Weihnachtslieder singend zurück nach Gongshan.

Insgesamt war es eine sehr schöne und interessante Wanderung, auf jeden Fall wiederholenswert! Und man kann festhalten, wie klein Gongshan ist: Da wandert man extra zwei Stunden lang und trifft auf einmal seinen ehemaligen Nachbarn! 😉

One Response so far.

  1. Robert sagt:

    An diesem Fluss entlang bin ich auch schon einmal gewandert. Das Wasser ist viel sauberer als im Nujiang, im Flussbett sind große Steine. Stellenweise hat es mich an das Murgtal im Schwarzwald erinnert.

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