Mark Twain und Zhao Xu Peng

Sa, 13. April – Würde ich Sie oder dich nach den beiden Namen im Titel dieses Artikels fragen, so wäre die Antwort wahrscheinlich nur zur Hälfte befriedigend. „Mark Twain, ja klar, das war doch der amerikanische Schriftsteller…“, vielleicht kämen dazu noch Huckleberry Finn, Tom Sawyer, womöglich sogar „A Tramp Abroad“ („Bummel durch Europa“)? Es würde mich allerdings sehr wundern, wenn irgendjemand mit dem Namen Zhao Xu Peng etwas anfangen könnte… Trotzdem, oder gerade deswegen, haben die Texte dieser beiden Menschen mich gestern gleichermaßen beschäftigt und beeindruckt, wenn auch auf völlig unterschiedliche Weise.

Sie könnten auch unterschiedlicher kaum sein: Hier ein philologischer Essay, da ein Brief, hier gewählteste Sprache, da gerade so verständliches Englisch, hier Humor und Witz, da Entschuldigung und Reue.

Doch fangen wir mit Mark Twain an. Wer hat schon erraten, um welchen Text es geht? Welcher Essay hat mich und Nadja mal wieder froh gemacht, dass wir Englisch und nicht Deutsch unterrichten? Es ist, natürlich, „The Awful German Language“ von Mark Twain. Hier beschreibt er auf sehr humorvolle Weise seine Schwierigkeiten beim Lernen deutscher Wörter wie „Generalstaatsverordnetenversammlungen“, seine Empörung über die Verteilung der Geschlechter bei deutschen Substantiven („In German, a young lady has no sex, while a turnip has. Think what overwrought reverence that shows for the turnip, and what callous disrespect for the girl.“) und seine Reformvorschläge für die Sprache („In the first place, I would leave out the Dative case.“) wollen haben werden sollen sein hätte. („I don’t know what „wollen haben werden sollen sein hätte“ means, but I notice they always put it at the end of a German sentence — merely for general literary gorgeousness, I suppose.“). Eine Überlegung wert, liebe Sprachreformszuständige? („Fifthly, I would do away with those great long compounded words; or require the speaker to deliver them in sections, with intermissions for refreshments.“) Jedenfalls erscheint die englische Sprache mit allen ihren Regeln, ihrer Grammatik und ihrer seltsamen Aussprache im Vergleich dazu äußerst human 😉 Seid froh, liebe Schüler!

Und damit wären wir auch bei Zhao Xu Peng angelangt. Der ist nämlich ein Schüler von mir, genauer gesagt einer aus der Klasse 5(1). Die ganze Sache fing letzten Mittwoch an: In der Stunde (es ging um seasons) waren die hinteren Reihen dieser Klasse ziemlich laut, einige  durchgehend am Reden, sodass es schon ordentlich nervte. Letztlich verdonnerte ich drei von ihnen dazu, den Tafelaufschrieb abzuschreiben, bevor sie gehen durften. Nachmittags schaute ich nochmal bei der Klasse vorbei, weil eine Schülerin mir noch ihren (Peking-) Brief geben wollte. Als ich gerade gehen wollte, kam auf einmal einer der Schüler, Zhao Xu Peng, hinter mir heraus, stellte sich vor mich und bat mich weinend um Entschuldigung. Ich war so überrascht, dass ich erst gar nicht verstand, was er wollte… Es stellte sich heraus, dass er anscheinend während der Stunde irgendwann mal Gummis auf mich geschossen hatte. Ich sagte ihm also, dass ich seine Entschuldigung akzeptierte, dass alles okay sei, etc.

Gestern hatte ich die Klasse wieder in der vierten Stunde. Vor der dritten kam eine Schülerin auf mich zu und sagte, der Junge, der geweint hatte, habe einen Entschuldigungsbrief geschrieben. Als ich dann zum Unterricht kam, stand auf der Tafel 英语老师对不起! („Entschuldigung, Englischlehrerin!“). Und bevor ich die Klasse begrüßen konnte, standen sie alle auf, verbeugten sich gleichzeitig und sagten „I’m sorry, teacher!“. Und diese Stunde waren sie so leise! Ich weiß nicht genau, wie viel Reue und Gutwilligkeit von ihren Klassenlehrern angestoßen wurde, sicher ist, dass ich mich sehr auf die nächste Stunde freue. Und dass ich mal wieder daran erinnert wurde, dass die Kinder ja im Grunde alle lieb und süß sind, auch wenn sie manchmal etwas nerven… (das gilt nicht für manche von Nadjas Klassen!). Hier jedenfalls der Entschuldigungsbrief, zwar in stockendem Englisch, aber durchaus verständlich und verglichen mit dem Niveau der Klasse mehr als beeindruckend:

 

3 Responses so far.

  1. Luise sagt:

    Hey, den Mark Twain-Text kenne ich auch, da ist man froh, Deutsch icht selbst als Fremdsprache lernen zu müssen!
    Ansonsten… sehr 認真, dein(e) Schüler 🙂

  2. Susi sagt:

    Hey Nina,
    hast du wieder zu hart durchgegriffen und jetzt haben alle Kinder vor dir Angst? 😛 Irgendwie muss man sich ja Respekt verschaffen 😀

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