Jiakedi: Ein Besuch in einem Lisu-Bergdorf

Montag, 04. Februar  – Mittwoch, 06. Februar

Schon vor längerer Zeit hatte und Mu Xing Lan, eine Schülerin der Laimao-Highschool in Liuku, alle Freiwilligen zu sich nach Hause in das Bergdorf Jiakedi eingeladen, um kurz vor dem Frühlingsfest ein paar Tage gemeinsam zu verbringen. Da unsere Besucher aus Liuku von Gongshan aus gleich dorthin wollten (Jiakedi liegt in Fugong County und damit zwischen Gongshan und Liuku), beschlossen wir spontan, uns ihnen anzuschließen. Am Montagnachmittag fuhr der Vater des Gnoms (auch Minibusfahrer) also sieben schwerbepackte, abwechselnd kichernde oder seine Musik mitsingende Mädels zur Straße unterhalb des Dorfes, wo wir dann erstmal warteten. Mu Xing Lan selbst würde erst am Abend kommen, bis nachmittags hatte sie noch Unterricht, stattdessen sollte ihre Schwester uns abholen. Vor ihr trafen jedoch in einem Minibus die übrigen Gäste ein – Christoph, Domi und Ribana. Es ist wohl ganz gut,, dass nicht alle 31 Freiwilligen der Einladung gefolgt waren – wir sprengten Mu Xing Lans Zuhause auch so schon beinahe. Der Weg dahin, den uns ihre große Schwester und ihr kleiner Bruder (ein „U-Boot-Schüler“ von Caro^^) zeigten, war ordentlich steil und führte uns schließlich zu einer geräumigen Holzhütte, die zusammen mit ein paar Ställen und einem neueren, ziemlich leeren Betonhaus das Zuhause bildete, in dem Mu Xing Lan aufgewachsen ist.

Nachdem wir unsere Rucksäcke in eines der Zimmer gestapelt hatten, setzten wir uns erstmal in die Holzhütte, die Küche, Wohn- und Esszimmer darstellte, und knabberten Erdnüsse und Sonnenblumenkerne, während Mu Xing Lans Schwester kochte. Die Familie hatte kurz davor ein Schwein geschlachtet, welches jetzt nach und nach aufgegessen werden sollte. Mu Xing Lans Mutter war gerade dabei, den Darm mit Reis zu füllen, das Ganze wurde gedämpft und als Vorspeise gegessen. Der Geschmack war… interessant (wie man es von Darm erwarten kann), das eigentliche Problem war jedoch, dass die abgeschnittenen Stücke nicht essbar waren, ohne dass man sich über und über mit Reis bekleckerte 😉 Mu Xing Lan war immer noch nicht eingetroffen, also bat ihre Familie uns, zuerst zu essen, und zwar nach alter Lisu-Art mit den Fingern. Das sah dann so aus: in der Mitte stand ein flacher Bambusgeflechtkorb mit Reis, dazwischen zwei Teller mit gebratenem Fleisch und Innereien, daneben eine Schüssel mit Gemüse und eine mit scharfer Soße. Wir hockten alle außenrum und langten eifrig zu – lecker! 🙂 (Die Familie selbst aß übrigens mit Stäbchen und aus Schüsseln…^^). Abends, als Mu Xing Lan auch angekommen war, spielten wir ein sehr einfaches Kartenspiel: Alle saßen im Kreis, einer zog eine Karte und zählte dann von sich aus gegen den Uhrzeigersinn ab. Die Person, bei der er landete, musste ein Lied vorsingen und zog dann die nächste Karte (wir kannten das Spiel bereits, nur hatten wir es bisher immer als Trinkspiel gespielt – die neue Variante gefiel uns eindeutig besser 😉 ). Zum Schlafen blieben wir acht Mädels in dem Raum, es wurden Bambusmatten ausgebreitet und dann legten wir uns wie die Sardinen eine neben der anderen in unsere Schlafsäcke und schliefen bald ein.

Abends konnte man die Sterne am Himmel kaum von den Lichtern aus dem Dorf gegenüber unterscheiden… ein toller Anblick!

Am nächsten Morgen wachte ich vom Geschnatter der Gänse auf (Nora meinte, sie hätten die ganze Nacht etwas geschrieen, was wie „Bagel! Bagel! BAGEL!“ klang^^), zog mich an und ging hinaus zu Mu Xing Lan, die bereits auf und am Fegen war. Über einem Feuer, dessen Rauch durch die Ritzen in das Holzhaus zog, brodelte ein Maiseintopf vor sich hin, davon bekam ich jetzt erstmal eine Schüssel. Leider war der nicht ganz so gut wie der bei Aluo, er schmeckte nach nicht so viel und musste mit scharfen eingelegten Bohnen und übrigen gebratenen Innereien nachgewürzt werden. Während dem Essen unterhielt ich mich mit Mu Xing Lan, die gerade von Valeska und Lennard Deutsch lernt und später an eine deutsche Universität gehen möchte. Da sie sich viel für das Baumhausprojekt engagiert und den Freiwilligen in Liuku eine wertvolle Hilfe ist, hat Peter Jochimsen ihr zugesichert, ihr den Aufenthalt zu finanzieren, sofern ihr ein guter Highschoolabschluss gelingt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das schaffen kann, denn sie hat mir erzählt, dass sie seit der Mittelschule ihre Familie jedes Jahr nur etwa zwei Wochen lang gesehen hat: der Rest der Ferien wird von Nachhilfeklassen und Übungsgruppen in Anspruch genommen. Natürlich hat sie ihr Zuhause immer vermisst, aber sie sieht in der Bildung den Weg aus der Armut heraus, in der sie aufgewachsen ist, und ihre bisherigen Erfolge geben ihr Recht: Sie ist auf der besten Highschool in ganz Nujiang, dort eine der Top-Schülerinnen und nun selbst schon in der Lage, anderen armen Kindern, z.B. den Streetkids zu helfen.

Nach und nach regten sich nun auch die anderen, krochen aus den Schlafsäcken, wuschen sich, frühstückten und dann machten wir uns auf dem Weg zu einem Basketballturnier in einem Nachbardorf. Hier traten Mannschaften aus den verschiedenen Dörfern gegeneinander an, wir beobachteten das Spektakel von der Seitenlinie aus. Am besten waren die Omis, die alle immernoch um einiges besser spielten, als wir es jemals hinkriegen würden 😉 Des langen Sitzens müde, machten ein paar von uns noch einen Spaziergang am Berghang entlang, dann war es auch schon Abendessenzeit und wir kehrten zurück zum Haus. Das Abendessen war wieder Maiseintopf, diesmal mit scharfem Glibber (fragt mich nicht, was es ist, aber es schmeckt jedenfalls nicht schlecht), knusprig frittierten Schweineinnereien, gekochtem Blümchengemüse und gerösteten Bohnen. Danach saßen wir noch auf dem Vorplatz, genossen die Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge und beobachteten Schweine und Hühner im Gehege unter uns, bis Mu Xing Lan vorschlug, dass wir Basketball spielen gehen könnten. Diesmal gingen wir zum Basketballplatz ihres Dorfes und spielten drauflos: erst in gemischten Teams, dann bildeten wir zwei Gruppen: Die Freiwilligen mit Mu Xing Lan gegen ein Dorfteam. Das war ein Kampf! Schließlich gewannen wir jedoch, was wir wahrscheinlich vor allem unserer lieben Gastgeberin zu verdanken haben 😉

Die Omis beim Basketball

Die Omis beim Basketball – sind sie nicht süß? 😉

Danach ging’s zurück und zum Mitternachtsschmäusle 😉 In der Mitte des Raums stand eine Feuerschale, darauf ein Gitter und hier brieten wir Schweinefleischstücke, Dünndarm, Stinketofu und Reisfladen. Die nicht allzu verkohlten Stücke wurden dann ordentlich in taubscharfem Pulver gewälzt – sehr lecker!

Barbecue auf chinesische Art

Barbecue auf chinesische Art – yummy!

Am nächsten Morgen hieß es dann schon wieder Abschiednehmen: Wir bedankten uns nochmal bei Mu Xing Lans Mutter und ihrer Schwester, dann kletterten wir den Weg hinunter zur Straße und ließen uns von vorbeifahrenden Minibussen nach Fugong mitnehmen, von dort tuckerten wir vier dann wieder nach Gongshan, während die anderen sich in Richtung Kunming aufmachten. Uns blieb nun noch ein Tag Zeit, um alles für die große Reise vorzubereiten: Die Wäsche vom Dach einzusammeln, eine Katzenmama zu finden, Bustickets nach Fugong zu kaufen und unsere Rucksäcke zu packen. Um mit Wilhelm Buschs Worten zu sprechen: Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich!

 

One Response so far.

  1. Robert sagt:

    Das mit-dem-Finger-Essen ist anscheinend so folkloristisch wie bei uns ein sogenanntes Rittermahl. Wann kommt der Bericht von der Reise zu den Nebelbergen?

Leave a Reply