Good morning, class!

Unsere Erst- und Zweitklässler!

19.09.2012 – Seit Freitag unterrichten Nadja und ich jetzt schon regelmäßig: Wir sind jeweils einer der beiden Englischlehrerinnen der Grundschule zugeteilt: Nadja geht mit Ms. Xiong und ich mit Ms. Zhang in die Stunden. Wir haben ziemlich viel Unterricht, durchschnittlich 19 bzw. 17 Wochenstunden, von denen wir einen Teil selbst halten und bei einem Teil zuhören. Unsere Schüler besuchen die dritte bis sechste Klasse, wobei die Klassenstufe nichts über das Englischniveau der Kinder aussagen muss, viele Viert- und Fünftklässler der Minderheitenklassen fangen z.B. gerade erst an, Englisch zu lernen. Die Kinder sind sehr süß und größtenteils auch einigermaßen brav, zumal Ms. Zhang in ihrem Unterricht sehr streng mit ihnen ist. Neben Vorlesen und Nachsprechen lassen, der Hauptunterrichtsmethode hier, versuche ich den Kindern Lieder beizubringen und habe mit einer Klasse auch schon sehr erfolgreich Montagsmaler gespielt (ein Kind an der Tafel malt einen Begriff und die anderen müssen ihn erraten). Auch einige der Lehrbuchaufgaben, z.B. Schreibübungen, sind ganz gut machbar, aber schon einfachste Sätze, Dialoge und Texte sind für die Schüler (auch höherer Klassen) unverständlich und müssen langsam, Wort für Wort, erklärt werden. Dies kommt wahrscheinlich daher, dass die Kinder nie Grammatik lernen, sondern immer nur ein paar Substantive eines Themenfelds und dann ein paar passende Phrasen (die sie meist schnell wieder vergessen). Es bleibt die Frage, inwiefern es sinnvoll und machbar ist, zumindest den Fünft- und Sechstklässlern die Grundzüge englischer Grammatik, Dinge wie Wortstellung, die wichtigsten Verben und wie man sie konjugiert, etc. beizubringen.

Ansonsten leben wir uns in Gongshan ein: Der Baozi-Mann, bei dem wir immer unser Frühstück holen, kennt unsere Bestellung meist schon im Voraus, wenn wir durch die Stadt gehen, begegnen wir immer mehr bekannten Gesichtern und wir haben gelernt, gegen die regelmäßigen Wasserausfälle in unserer Wohnung einen Notwasservorrat anzulegen. Der Umzug soll übrigens diese Woche noch stattfinden… wir sind gespannt 😉 , denn die letzte Ansage dieser Art ist schon eine Woche her…

Letztes Wochenende nahm uns Jiang Da mit auf die Hochzeit seines Cousins und stellte uns einigen Freunden vor, auf unsere Frage hin, ob man in Gongshan eine Gitarre kaufen könne, brachte er uns Sonntagmorgens zu einem Freund, der uns eine himmelblaue Westerngitarre gab und partout kein Geld dafür annehmen wollte. Seither erklingen in unseren Wohnungen regelmäßig Gitarrenklänge und unsere Finger schmerzen schon… aber wir machen Fortschritte!

Bonnie Blue

Nach Nadjas sonntäglichem Unterricht fuhren Nadja und ich dann zu Mr. He, der uns nach Gongshan gefahren hatte. Hier verbrachten wir einen sehr schönen Nachmittag und Abend, spielten mit seinem zweijährigen Sohn und plauderten mit Mr. He und seiner Frau, Mrs. Zi, einer ehemaligen Mathelehrerin. Besonders interessant fanden sie einen 5 Euro-Schein (好小!“So klein!“), den ich noch in meiner Tasche hatte, und den wir ihnen signiert als Andenken schenkten. Im Gegenzug gaben sie uns einen ebenfalls unterschriebenen 50 Yuan-Schein, sodass wir jetzt auch ein erstes Souvenir haben…

Mr. He und Familie

Mr. He und Familie

Der Schulalltag holte uns am Montagmorgen bereits um halb acht wieder ein, als wir uns mit den anderen Lehrern und den Schülern zum Fahnenappell auf dem Sportplatz aufreihten. Hier gab’s zunächst eine Ansprache, dann wurde zum Klang der Nationalhymne die Fahne hochgezogen, schließlich bekam noch eine Schülerin einen Preis. Die Feierlichkeit der ganzen Zeremonie wurde nur geringfügig durch die Unruhe gestört, die ein winziges dürres Kätzchen auslöste, indem es durch die Reihen der strammstehenden Schüler schlich.

Gestern, am 18. September, ereignete sich noch etwas leicht Verstörendes: nach der 6. Stunde (nachmittags) kam eine Durchsage, in der darauf hingewiesen wurde, dass dies der Jahrestag des japanischen Überfalls auf China am 18.09.1931 war. Anschließend kam die Ansagerin auf die Diaoyu-Inseln zu sprechen und forderte die Schüler in flammenden Worten zu mehr Vaterlandsliebe und zum Boykott japanischer Waren auf. Bei Nadja kamen die Schüler am nächsten Tag sogar extra zur Lehrerin um zu fragen ob ihre Stifte aus Japan kämen O.o

In einer halben Stunde beginnt mein Unterricht, darum höre ich jetzt mal auf. Dann heißt es wieder „Good morning, class!“ „Good morning, Miiiisssaaaa!“ (letzteres soll „Miss Nina“ heißen, das müssen wir wohl noch etwas üben… 😉 ).

Bei Nadja ist es auch nicht viel besser, sie heißt bei den Schülern (wenn sie ihren Namen nicht aussprechen können) zumeist Miss Na, da das die erste Silbe ihres Namens ist und in China somit der Nachname wäre^^

Hier noch ein paar Impressionen von unserer Schule bei einer Feueralarmübung:

6 Responses so far.

  1. Janko sagt:

    Jaja, die Finger, dass gibt sich aber mit der Zeit… 😉 Bald kannst du Lady in Black sicher besser als ich, was Nadja? Willst du das Notenblatt zu Greensleeves haben?

    Schon eine krasse Indoktrination… ist in China wahrscheinlich überall so, oder?

  2. Punguin sagt:

    Foto von der Gitarre! Und warum sind alle Einträge vom 9. September? ^^

  3. Peter sagt:

    hallo Nina, ich weiß ja nicht, inwiefern du noch einblick in die nachrichtenwelt hast, aber ich kann dir noch zu diesem antijapanischen Demonstrationen der Hintergrund erläutern:
    „Die Demonstranten protestierten dabei auch gegen den Kauf von Inseln im Ostchinesischen Meer von einer japanischen Familie durch die japanische Regierung. Die chinesisch Diaoyu und japanisch Senkaku genannten unbewohnten Felseninseln sind seit Jahrzehnten zwischen beiden Ländern und Taiwan umstritten. Peking hat seine Ansprüche auf die unter japanischer Kontrolle stehenden Inseln vor allem erhoben, seitdem in dem fischreichen Seegebiet Öl- und Gasvorkommen vermutet werden.“ (FAZ vom 18.9)
    Na ja das ist nun auch nicht so wichtig, ich hoffe vor allem, dass Du Spass hast und vllt sehen kannst, dass Du etwa verändern und verbessern kannst 🙂
    Lg Peter

  4. Desi sagt:

    Hey Nina,

    wollt mal wissen, wie es dir geht? Ich hoffe es gefällt dir?

  5. 盧以思 sagt:

    寧寧, 你吃飽了嗎?
    贡山似乎很漂亮 und mein Chinesisch ist immernoch mies 😉
    Der Englischunterricht ist hier nicht viel anders als bei dir und die meisten sprechen nur sehr wenig. Allerdings ist Englisch fuer Chinesen wahrscheinlich so schwierig wie Chinesisch fuer Englaender (oder andere Europaeer). Die himmelblaue Westerngitarre klingt vielversprechend, hat der Freund jetzt 關係 bei euch? Ich wuensche dir und allen Baumhauslern alles Gute! Die Zeit vergeht hier so schnell, wir sehen uns in einem Jahr!
    以思

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