鲜花节 – Das Blumenfest

Vor langer Zeit, als die Hänge des wütenden Flusses, die man heute Gongshan nennt, noch von den Stämmen der Nu Leute bevölkert waren, lebte in einem Dorf ein schönes Mädchen namens Ah Rong. Damals trat der Fluss häufig über seine Ufer und verhinderte mit seinen reißenden Strömen jegliche Überquerung. Als Ah Rong eines Tages ein Spinnennetz betrachtete, kam ihr eine Idee und so spannte sie ein Seil über den Fluss, an dem hängend man sicher auf die andere Seite rutschen konnte – die erste Seilbrücke war geboren. Bald darauf kam der Häuptling des Hou Stammes, dem die außerordentliche Schönheit des Mädchens aufgefallen war, zu ihr, um sie zu seiner Frau zu machen. Doch Ah Rong verweigerte sich, und als er sie zur Heirat zwingen wollte, floh sie in eine Berghöhle und verwandelte sich dort in eine Steinstatue. Man sagt, dass dies am 15. März des Mondkalenders geschah und in Erinnerung an das kluge und starke Mädchen feiert die Nu Minderheit bis heute jedes Jahr an besagtem Tag das Feenfest, auf chinesisch 仙女节 (Xian Nü Jie). Weil sie der Heiligen dabei traditionell frische Frühlingsblumen darbringen, heißt das Fest auch 鲜花节, Blumenfest. (Quelle: http://culture.chinese.cn/en/article/2009-10/28/content_43210.htm)

So viel zur Geschichte hinter diesem Fest, das dieses Jahr am 24. April stattfand. Wir hatten schon von vielen Seiten davon gehört und auf einen schulfreien Tag gehofft, damit wir nach Bingzhongluo zu den Feierlichkeiten fahren konnten. Leider war die Schulleitung anderer Meinung, daher konnten wir erst nachmittags nach unserem Unterricht aufbrechen. Die Aktivitäten an der heiligen Grotte waren da anscheinend schon vorbei, denn als Helen und ich (wir fuhren etwas früher als die anderen) in Bingzhongluo ankamen, war auf den ersten Blick kein großer Unterschied zu erkennen. Etwas ratlos überlegten wir, in welcher Richtung wir nach der Big Party suchen sollten, aus beiden Enden der Straße (gut, dass Bingzhongluo nicht größer ist!) kamen etwa gleich viele Leute gelaufen und auch die Verkäuferin aus dem Supermarkt konnte uns nicht weiterhelfen. Also liefen wir auf gut Glück los und – siehe da – bald drangen tibetische Musikfetzen an unsere Ohren. Die kamen allerdings nicht von einem Fest sondern aus einer Tibeterbar auf dem Hügel über der Straße, also liefen wir weiter und standen auf einmal tatsächlich am Ort des Geschehens. Der war eine saubere helle Markthalle, in der sich die Zuschauer drängten, um einem chinesischen Sänger zu lauschen. Wir stellten uns ein Weilchen dazu, man sagte uns aber, dass das Hauptgeschehen mit Tanz und Gesang erst um sieben Uhr abends stattfinden würde. Also liefen wir wieder davon und beschlossen, einen Blick auf die Tibeterbar zu werfen. Dieser reichte auch, um sie für nicht besonders besuchenswert zu erklären, es war dunkel, nichts los und noch abgeratzter als die in Gongshan. Gerade wendeten wir uns zum Gehen, als auf einmal ein bekanntes Gesicht auftauchte – das war doch der kleine Bruder einer Yi Zhong – Lehrerin, den wir schonmal in Bingzhongluo getroffen hatten! Er kam gleich auf uns zu, fragte, wie lange wir schon da waren, und bat uns dann in sein Haus. Das war eine riesige Holzblockhütte neben der Bar, Platz und Lautstärke der herüberschallenden Musik hätten jedenfalls für einen netten Tanzkreis gereicht. Wir nahmen jedoch erstmal mit einem Platz auf dem Sofa vorlieb und chillten ein wenig, während er beschäftigt umherlief. Bald darauf kam er wieder – mit einer jungen Frau, einer Touristin aus Shanghai. Mit ihr unterhielten wir uns und tranken etwas schaumiges Bier. Sie war gelernte Innenarchitektin und nahm gerade eine Auszeit nach dem Studium, seit etwa einer Woche erkundete sie die Gegend um Bingzhongluo. Auch der Große Bär (so hieß unser Gastgeber) gesellte sich nach einer Weile zu uns und versuchte vergebens, die Fliegen, seine „Haustiere“ ;), gefügig, sprich weg, zu machen. Irgendwann stießen die anderen drei noch zu uns und verursachten einen großen Ausländerflash-Aufruhr, gegen sieben verabschiedeten wir uns dann erstmal, um das Tanzen anzuschaun. Davor versorgten sich manche von uns noch mit ein paar frischen leckeren Formfleischwürstchen (…). Als wir jedoch wieder zur Austragungstelle kamen, war die Überraschung groß: Da war ja – niemand! Nanu?! Reichlich verwirrt liefen wir wieder in den Ort hinein. Ein Minibusfahrer erzählte uns schließlich, dass das Abendprogramm in Pengdangxiang (zwischen Gongshan und Bingzhongluo) stattfinde. Aha! Er erbot sich auch gleich, uns hinzufahren, also schnell in den Bus gestapelt und los gings!

Als wir schließlich in dem Städtchen ankamen, wo auf den ersten Blick auch alles ganz normal wirkte, waren Helen, Nadja und Xiyu schon so müde, dass sie gleich weiter nach Hause fahren wollten, Franzi und ich stiegen aus und liefen eine Straße hinunter, auf die der Fahrer zeigte. Zunächst kamen wir an einigen Barbecueständen vorbei, bogen zu einem Sportplatz ab und – tadaaaa! – da war endlich unser Fest! Das bestand aus einer Bühne, bunten Fähnchen und einer recht ansehlichen Zuschauermenge, zu der wir uns stellten. Und schon betrat die erste Gruppe die Bühne, Männer und Frauen in einheitlichen bunten Lisu-Trachten, die einen traditionellen Tanz präsentierten. Danach kamen die beiden Ansager und verliehen einige Preise für einen Sportwettbewerb (der anscheinend tagsüber stattgefunden hatte). Es folgte ein weiterer Tanz, und so ging es weiter. Das Programm war sehr bunt (nicht nur der farbenfrohen Trachten wegen): Zum Einen gab es viele traditionelle Tänze von Lisu, Nu und Tibetern, einmal sogar von einer live – Erhu begleitet, außerdem traten noch ein paar Aerobicgruppen auf (die z.B. auf dieses beliebte Lied strechten und kickten was das Zeug hielt). Der internationalste Auftritt war wohl der von fünf Lisumädchen in Hawaiiröcken, die auf Shakiras Waka Waka tanzten („this time for Africa“) – und das Ganze in China!  Der seltsamste Auftritt (für uns) war sicherlich der Aufmarsch der „Revolutionsarmee“ – hübsch verkleidete und mit Holzgewehren ausgestattete Leute, die im Takt über die Bühne rannten. Aha… Außerdem gab es noch drei musikalische Auftritte: Eine Band mit E-Gitarren, Schlagzeug und Sänger, die etwas verschüchtert und darum umso putziger war, ein Lisu-Kirchenchor und, für uns das Highlight – eine Tibetercombo, bestehend aus zwei Xianzi (eine Art Erhu), einer Trommel und zwei Sängerinnen. Das Besondere daran – wir kannten zwei der Musiker aus Dimaluo – am Abend vor der Kleiderverteilung hatten wir mit ihnen gemeinsam bei Aluo gesessen, Bier getrunken, Schere, Stein Papier gespielt und – natürlich – ihrer Musik zugehört sowie selbst etwas rumprobiert (der eine davon war der Dreadlocktibeter, der erste Mensch hier mit Dreads o.O). Jetzt auf der Bühne – das war echt cool!

Gegen elf neigte sich die Veranstaltung dem Ende zu und es wurden noch einmal alle Darsteller auf die Bühne gebeten, für den Abspann sozusagen. Die Zuschauer entfernten sich, Franzi und ich blieben noch ein Weilchen, weil wir unseren Bekannten noch Hallo sagen wollten. Auf einmal ging über unseren Köpfen ein großes Krachen los – Feuerwerk! Und was für eins! In allen Farben glitzerte, funkelte und zischte es da oben.. und manchmal auch unten, wenn die Funken wie fallende Kometen auf den Platz regneten und die Leute auseinanderstieben ließen. Erleben Sie ein fantastisches Feuerwerk hautnah, oder so. Wir zogen uns an das Ende des Platzes zurück und hätten vor lauter in-den-Himmel-starren um ein Haar den Dreadlocktibeter verpasst, der, die Xianzi in der Hand und eine Urkunde überm Kopf, an uns vorbeilief. Aber wir holten ihn noch ein und er und unser anderer Bekannter freuten sich sehr uns zu sehen und unsere Komplimente zu hören^^ Leider mussten wir ihre Einladung zum Biertrinken abschlagen, denn wir hatten ja Unterricht. So machten wir uns wieder auf zur Straße, während im Hintergrund immernoch das Feuerwerk funkelte, und fanden auch sehr schnell einen „Gongshan! Gongshan!“ schreienden Minibusfahrer, der uns heimbrachte (unsere Mitfahrer erzählten ihm gleich, dass wir Lehrer sind 😉 ).

 

 

One Response so far.

  1. Wolfgang J. sagt:

    Das klingt nach einem (überraschend) erlebnisreichen Abend, den Ihr wohl so schnell nicht wieder vergessen werdet. Wie gut, dass Ihr die Kamera dabei hattet … – so können wir uns die Sache etwas bildhafter vorstellen.

Leave a Reply